(Alle Photos: Pandora Republic)

Kein anderes Motorrad der Welt steht so lässig auf dem Seitenständer wie eine Norton Commando, vor allem dann, wenn es der „richtige“ Seitenständer ist. Anfang der 1970er Jahre war man sich bei Norton uneins, wie die Produktpalette für das Modelljahr 1972 aussehen sollte. Gut, man hatte die Fastback, die Fastback LR (LR für Long Range bezeichnete eine Fastback mit grösserem Tank, der immerhin für 200 Meilen gut sein musste, was insbesondere für den australischen Exportmarkt aus naheliegenden Gründen wichtig war), die Hi Rider, die Roadster, den Production Racer sowie die neu vorzustellende Interstate im Programm. Dennoch überlegte sich das Senior Management, also die Bosse, ob man diese eigentlich ganz eindrucksvolle Produktpalette nicht zumindest teilweise mit einem High Performance Motor bestücken sollte, da die Konkurrenz mit immer leistungsstärkeren Motorrädern auf sich aufmerksam machte. Dem widersprachen die Ingenieure, der Vertrieb sowie die Testabteilung, welche befürchteten – ein neu entwickelter Motor war aufgrund begrenzter Ressourcen und aus Zeitdruck wieder mal nicht in Sicht -, dass heftige Tuningmassnahmen dem alt ehrwürdigen Norton-Twin, in den Grundzügen von Bert Hopwood 1947 entwickelt, zu arg zusetzen könnten, weshalb man dafür plädierte, den 1971er Motor für 1972 beizubehalten und den Commandos lediglich Scheibenbremsen zu spendieren, da Norton vielleicht auf dem Papier hinsichtlich der schnöden Leistungsdaten gegenüber der Konkurrenz im Hintertreffen sei, auf der Strasse jedoch aufgrund des geringen Gewichts der Commandos, des ungemein guten Handlings und des stabilen Fahrwerks einige gewichtige Punkte für sich hätte. Aber wie das nunmal oft so ist, setzten sich am Ende nicht die durch, welche die meiste Ahnung von der Materie hatten, sondern eben jene, welche am längeren Hebel sassen, und das waren die Bosse. Also verpasste man der neuen Interstate, aber auch der Roadster und der Fastback serienmässig einen „High Performance Motor“, eben den „Combat“- Motor, welchen man zuvor schon als „Spezial-Artikel“ bei Norton hatte ordern können. Die „High Performance“ – man raunte von sagenhaften 65 PS – wollte man hauptsächlich durch zwei grössere Vergaser, eine leicht höhere Verdichtung sowie durch eine schärfere Nockenwelle erreichen. Leistungsmessungen Jahre später sollten aber zu Tage bringen, dass der „Combat“ lediglich so um die 54 PS drückte, was gegenüber dem normalen 750er Commando-Motor, der ohne derlei Tuning-Kinkerlitzchen bereits so um die 50 Pferdchen antreten liess, keine so wahnsinnige grosse Leistungssteigerung darstellte. Aber Marketing war auch damals nicht ganz unwichtig, und 65 schon ziemlich nahe an den 67 PS einer Honda CB750. Um diese sagenhafte „High Performance“ nochmals deutlich zu unterstreichen, bekamen alle mit dem Combat-Motor ausgestatteten Commandos serienmässig eine Scheibenbremse vorne montiert, die für die damalige Zeit ganz ordentlich verzögert, wobei es aber dem jeweiligen Kunden überlassen blieb, ob er nicht doch für den herkömmlichen Motor oder die alte Trommelbremse optierte, was den Kunden beim Kauf und letztlich auch Norton selbst bei den später anstehenden Gewährleistungen unter dem Strich günstiger kommen sollte. Denn der vom Management durchgesetzte „Combat“-Motor war weder ausentwickelt, noch ausreichend getestet und wurde so ziemlich schnell zu einem Fiasko für die ganze Firma. Hartnäckig hielt sich jahrzehntelang das Gerücht, dass insbesondere die durch die Tuningmassnahmen erreichte exorbitante (aber tatsächlich nicht gegebene) Leistungssteigerung den „Combat“-Motoren reihenweise den Garaus machten, tatsächlich war es aber das neu entwickelte Kurbelwellengehäuse, das der Combat Probleme bereitete. Das Gehäuse wurde rund um die Lagersitze stark versteift, was den Kurbelwellenlagern aufgrund der erhöhten Kompression des Motors und den damit einhergehenden stärkeren Schwingungen der Kurbelwelle zusätzlichem Stress aussetzte. Dies allein hätte vielleicht noch nicht so gravierende Folgen gehabt, zumal relativ schnell die von FAG neu entwickelten Superblend-Lager zur Verfügung standen, die das Problem mit der schwingenden Kurbelwelle eliminierten, unglücklicherweise hatte man bei Norton jedoch auch den Ölkreislauf im Kurbelwellenghäuse dergestalt geändert, dass insbesondere bei höheren Umdrehungen – und die Commando war nunmal als Sportmotorrad konzipiert – die strapazierten Hauptlager nicht nur sehr ungenügend geschmiert wurden, sondern bei längerer Belastung durch höhere Drehzahlen sich auch noch das komplette Motoröl nach und nach via Motorentlüftung aus dem Motor verabschiedete, was dann irgendwann und selbstredend den Exitus lethalis desselben zur Folge haben musste. Ein sozusagen in den Motor eingebauter Selbstzerstörungsmechanismus, der aber nur bei sportlicher Fahrt aktiviert wurde, was vor allem der deutsche Generalimporteur leidvoll erfuhr, welcher um die 400 auf deutschen Autobahnen ruinierte „Combat“-Motoren als Garantieleistung reparieren durfte und dafür auch noch und wider besseres Wissen für Norton als Sündenbock herhalten musste, da zumindest das „Problem mit dem automatisch halben Ölwechsel“ in Ländern ohne Autobahnen und mit Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht in dieser Masse auftrat. Das ist jetzt alles bald 50 Jahre her und natürlich kann es sein, dass noch ein paar wenige Combats unterwegs sind, die immer ausgesprochen gemütlich bewegt wurden, sodass die fatale Neigung des „optimierten“ Ölkreislaufes nie auffällig geworden ist, weshalb vielleicht nur irgendwann einmal die Hauptlager gewechselt worden sind. Tatsächlich kann man aber davon ausgehen, dass bei all diesen Motoren der Ölkreislauf inzwischen modifiziert wurde, denn das Problem war seinerzeit schnell analysiert und entsprechende Hinweise und Reparaturanweisungen waren an die damaligen Werkstätten ausgegeben worden. Letztlich ist das bei dieser Combat aber auch einerlei, denn wie bei allen britischen Motorrädern wollten wir auch ihren Motor nebst Getriebe zum Neuaufbau einem Experten überantworten, um sie dann wieder komplett aufzubauen, so war zumindest der Plan, es sollte aber anders kommen. Die Combat kauften wir bei einem Händler südlich von Hamburg, mit im Kaufpreis inbegriffen war auch die Überführung der Maschine zu Dieter „Doc Norton“ Cordes, der in der Nähe von Bremen seine Werkstatt hat. Da ich die Maschine oder deren Innereien nicht persönlich überführte, hatte ich mit Dieter Cordes telefonisch vereinbart, dass wir alles Weitere telefonisch vereinbaren würden. Nun war mein Vater Mecklenburger, ich bin also durchaus mit dem norddeutschen Idiom vertraut, selbst Platt hatte ich ihn öfters reden hören, aber bei Dieter Cordes kam noch etwas Erschwerendes hinzu: Seine Telefonverbindung. Ich weiss nicht, warum, ob sein Telefon vielleicht so alt wie die Commando war oder ob es an einer selbstgebastelten Freisprecheinrichtung lag, die seltsam nachhallte, jedenfalls  verstand ich immer nur die Hälfte von dem, was der Mann am anderen Ende der Leitung mir mitzuteilen versuchte. Irgendwie hatte ich immerhin die Ahnung, dass er mir zu verstehen geben wollte, wie man diese Commando noch besser machen könnte. Anfangs versuchte ich noch nachzuhaken oder bat um Wiederholung des Gesagten, aber es war hoffnungslos, irgendwann sagte ich nur noch: Mach! Mach! Mach! Und so nahm sich Doc Norton der Combat an und machte. Und er machte so ziemlich alles. Ich bin überzeugt, er hat auch noch den Tank höchstpersönlich lackiert und anschliessend feierlich die Logos drauf gepappt. Aus Platzgründen können hier die vorgenommen Arbeiten nicht im Einzelnen aufgeführt werden, aber natürlich verfügen wir über eine ellenlange Rechnung, die bei ernsthaftem Kaufinteresse gerne und ausführlichst studiert werden darf und soll. Die „Combat“ als solche wurde aufgrund des Problemchens mit dem Ölkreislauf nicht lange hergestellt, sie hat also eine gewisse Seltenheit. Die Maschine ist Matching Numbers und bis auf zwei Besonderheiten, die Dieter Cordes wichtig waren: Ein 18er Hinterrad und ein Absperrhahn im Ölvorlauf, (äusserlich) ziemlich original. Nachdem er fertig war, brachte er die Commando noch über den TÜV, ich liess sie hier zu, schickte ihm das Nummernschild hoch, und er bretterte mit Calwer Nummernschild durch die norddeutsche Tiefebene, um das Motorrad ein bisschen einzufahren und im Anschluss die Zylinderkopfschrauben nachzuziehen. Mehr geht eigentlich nicht. Diese Combat ist ein fantastisches Motorrad.

Arbeiten

Alles!

19.950,-