Norton Manufaktur

Posted by on Feb 23, 2021 in Allgemein | No Comments
Foto: Pandora Republic

Wie der Experte selbstredend unschwer erkennt, handelt es sich bei den hier abgebildeten vier Motorrad-Triebwerken um Motoren aus britischer Fabrikation – genauer aus der Fabrikation der Firma Norton. Und natürlich erkennt der Experte des Weiteren, dass die Motoren ursprünglich dem Antrieb von vier Norton Commando dienten, so wie er auch fast unmittelbar verstehen wird, dass er vier 750er und keine 850er Aggregate vor sich hat. Woran der Experte das alles erkennen wird? Keine Ahnung. Aber wenn er dann noch ein wenig genauer hinschaut, wird er finden, dass die Motoren überholt oder restauriert sein müssen, denn der Lack an den Zylindern scheint frisch aufgebracht, die verzinkten Schrauben und Muttern zeigen keinerlei Anzeichen von Patina oder schlimmer noch – von Rost und auch die sichtbaren Gehäusedeckel glänzen wie sorgfältig poliert. Wenn der Experte spätestens jetzt neugierig geworden ist, wird er die Augen zusammenkneifen und ein wenig näher an den Bildschirm rücken, um nach Details zu fahnden, die ihm Aufschluss darüber geben könnten, von wem die Motoren überholt worden sind, und natürlich wird er feststellen, dass nur bei einem Motor die Entlüftung des Kurbelwellengehäuses modifiziert worden ist, allen anderen Motoren ist die Entlüftung an der ursprünglichen Stelle, links oben am Kurbelwellengehäuse belassen worden. Und spätestens jetzt wird der Experte lächeln, denn er hat endlich auch die an drei Motorgehäusen angebrachten stabilisierenden Stahlringe an Kurbelwellenausgängen entdeckt, sodass er sicher sein kann, dass die Motoren tatsächlich zwei Experten zur Überholung anvertraut worden sind, da eben die Stahlringe Ausweis der Arbeit eines bestimmten Experten ist, welcher nur von jemanden beauftragt worden sein kann, der auf Umsicht, Qualität und Expertise Wert legt, und so jemand natürlich auch den vierten Motor niemals einem Hallodri, sondern eben nur einem Experten anvertrauen würde, der jedoch auf das Anbringen der Stahlringe verzichtet hat.

Warum aber, so stutzt der Experte, liegen auf dem Boden der Werkstatt von Pandora Republic gleich vier 750er Commando-Motoren, die offensichtlich von zwei Experten überholt worden sind?

Und dieses Zustandekommen vermag natürlich auch ein Experte der britischen Motorradbaukunst allein nur durch sein kontemplatives Schauen nicht zu ergründen. So, wie er auch nicht wissen kann, dass draussen im Schuppen insgesamt vier Commando-Rahmen, drei davon bereits neu pulverbeschichtet, und insgesamt drei von vier Lacksätzen frisch lackiert und sicher eingelagert, als auch noch insgesamt sechs Räder komplett überholt auf die Montage warten.

Foto: Pandora Republic

Somit ist vieles von dem, was bei der Restauration eines alten Motorrades am meisten Zeit kostet, bereits erledigt. Und all diese Arbeiten wurden an externe Experten vergeben, auch und gerade die Überholung von Motoren und Getrieben, denn deren Überholung ist heikel, die Fertigungstoleranzen bei Norton waren seinerzeit ausserordentlich grosszügig, weshalb es für den Neuaufbau von Motoren und Getriebe jemanden braucht, der Erfahrung mit dem Instandsetzen alter britischer Motoren, als auch idealerweise über Kenntnisse in der Metallbearbeitung verfügt, um den ganzen Krempel wieder masshaltig zusammenbauen zu können, damit die Triebwerke nachher besser und zuverlässiger sind, als sie es davor jemals waren. Deshalb haben wir drei der Motoren mit zugehörigen Getrieben Rudi Kolano überantwortet, die vierte Norton-Leiche kauften wir Uwe Ruddisch ab, der sich netterweise auch gleich bereit erklärte, deren Inneren zu überholen. Beide sind ausgewiesene Experten für alte britische Motorräder, haben ihre Expertise schon des Öfteren unter Beweis gestellt, sodass wir ziemlich sicher sein können, dass die Motoren jetzt auch tatsächlich besser sind als je zuvor.

Durch einige Zufälle und weil wir coronabedingt in den letzten Monaten kaum zum Schrauben kamen, sind die überholten Motoren, Getriebe, Rahmen, Lacksätze und Räder nach und nach hier wieder aufgelaufen, sodass es zu einem kleinen Norton-Stau gekommen ist, der so eigentlich nicht geplant war, und den wir in den nächsten Wochen und Monaten gerne auflösen würden, indem wir die Motorräder wieder zusammenbauen, wenn uns dies die allgemeine Pandemielage als auch die möglicherweise durch den Brexit beeinträchtige Ersatzteilversorgung dies erlauben, um die Motorräder sodann zum Kauf anzubieten. Zwei der Motoren gehören zu jeweils zwei Commandos 750 S, welche ich persönlich zu den schönsten fünf Motorrädern zählen möchte, die jemals seriengefertigt aus den Montagehallen eines Motorradherstellers geschoben worden sind. Nur von 1969 bis 1970 gebaut, war die „S“ mit ihren an der linken Seite zusammengeführten und hochgezogen Abgassträngen die Scrambler-Version der Commando, welche vor allem in den USA reüssieren sollte, woraus dann aber nix wurde, vielleicht auch, weil mittlerweile Husquarna mit seinen Zweitaktern das Off-Road-Racing dominierte, was dann dazu führte, dass viele „S“-Besitzer im Lauf der Jahre die schöne aber unpraktische Auspuffanlage durch die herkömmlichen Krümmer und Töpfe einer Roadster ersetzten, was dann zur Folge hatte, dass immer weniger „S“ im originalen Trim unterwegs waren, so wie auch unsere beiden Commandos, die hier jeweils als verkleidete Fastback, beziehungsweise Roadster aufschlugen, was uns aber nicht daran hinderte, zumindest eine von ihnen schon vor der technischen Revision allein in den optischen Originalzustand zu versetzen, nur um ihre Schönheit entrückt bestaunen zu können, bevor sie dann wieder zerlegt wurde.

Foto: Pandora Republic

Und für alle, die das vielleicht interessiert, eine der zwei „S“ verfügt über „Matching Numbers“, die zweite fuhr in ihrem Rahmen den Motor einer offenbar geschlachteten Fastback Spazieren, die aber im gleichen Modell- und Baujahr wie die ursprüngliche „S“ produziert worden ist. Bei den beiden anderen Commandos handelt es sich um Roadster.

„Norton Manufaktur“ wird fortgesetzt, immer, wenn es etwas Neues aus der Werkstatt zu berichten gibt. Der Einfachheit halber wird der nächste Teil hier angefügt. Um das dann schneller und besser erkennen zu können, erhält die Überschrift des Textes auf der Hauptseite dann den Zusatz „Teil 2, 3, etc.“ und wird der Anfang des neuen Teils im Text hier durch ein Bild markiert.